2021 Riese & Müller Multicharger Touring im Test

Wir konnten 8 Wochen lang das Riese und Müller Multicharger Touring im Alltag bewegen und haben das ein oder andere Abenteuer erlebt. Hier ist die Bewertung!*

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Und hier zu der Erklärung der Bewertung.

Fahrrad Kategorie

Fahrverhalten: 9/10
Das Multicharger ist eine Art verlängertes 90er-2000er Jahre Mountainbike. Die 26“ Räder sind groß genug, um die meisten Hindernisse einfach zu bewältigen und erst im härteren Gelände kommt es an seine Grenzen. Die Sitzposition ist ziemlich sportlich und das ganze Rad lässt sich sehr intuitiv und dynamisch fahren, auch wenn es beladen ist. Der Lenker ist nicht so breit, wie bei modernen Mountainbikes, aber breit genug für eine gute Kontrolle über das Rad. Der Bosch Performance CX Motor ist sehr kräftig und kann in Kombination mit der Shimano Deore XT Kettenschaltung sein volles Potential entfalten. Auch sehr steile Anstiege sind kein Problem, man muss dann aber sein Gewicht nach vorne verlagern, da das Rad gerne mal in den Wheelie geht, wenn hinten viel drauf ist. Die Bremsen verzögern sehr zuverlässig und mir hat gefallen, dass die Hebel schön breit sind, damit man mehr Bremspower nutzen kann, auch als schwächere Person. Gerade bei unebener Strecke ist die Federgabel sehr angenehm. Sie spricht ausreichend feinfühlig an und pumpt auch nicht bei kraftvollen Anstiegen. Wenn ich regelmäßig in den Bergen unterwegs wäre und Offroad, würde ich in noch einmal größere Bremsscheiben investieren und eventuell eine höhenwertige Federgabel mit Remote Lockout. Ich habe auch schon Multichargers mit weiten Dropbars gesehen für eine besser Tourentauglichkeit. Insgesamt ist es eine exzellente Fahrdynamik

Innovation/Design: 8/10
In Sachen Innovation haben wir hier den großen Vorteil, dass R&M viel Erfahrung mit Integration und den neusten Ideen eines vernetzten Fahrrads hat. Der RX Chip ist ein gutes und sinnvolles Extra und die Möglichkeit, das Smartphone Hub oder Nyon Display schon mitzubestellen ist im Cargobike-Bereich außergewöhnlich. Auch das Kabelmanagement und der voll versteckte Akku hat mir sehr gut gefallen. Ansonsten ist das Konzept natürlich nicht neu. Longtails mit 26“ Bereifung gibt es schon länger, aber der Fokus, beziehungsweise die Möglichkeit, das auf Offroad zu trimmen ist selten. Bei der Rahmengeometrie haben wir kein „One-Size-Fits-Most“-Prinzip, sondern zwei Rahmenformen in jeweils zwei Größen. Das hat Vor- und Nachteile, denn wenn die potentiellen Fahrer:innen große Größenunterschiede haben, benötigen sie zwei Räder. Auf der anderen Seite findet man sich aber auch nicht in einer merkwürdigen Sitzhaltung wieder, wenn man sich an einem der beiden Enden des Spektrums befindet. Ansonsten ist das Design teutonisch klar und wenig aufregend. Nur die gelben Gepäckträger stemmen sich gegen diesen Eindruck. Ein Punkt, der (fast) allen anderen Longtails fehlt: Die Eignung für 45km/h in der S-Pedelec Version.

Zwei Punkte, die mir negativ aufgefallen sind: 1. um den Akku zu entnehmen, greift man immer in Dreck. Und 2. ist der matte Rahmen recht schmutzempfindlich.

Ausstattung: 8/10
Wie bei den meisten Rädern von Riese & Müller bietet die Ausstattung wenig Grund zu meckern. Schon in der Basis ist hier immer ein Performance CX und ein integrierter Akku verbaut. Griffe, Sattel und Beleuchtung sind gut, wobei ein Scheinwerfer mit Fernlicht, sowie ein Bremslicht zumindest als Option schön wären. Bei Display, Akkus und Schaltung hat man die Qual der Wahl und kann sich das komplett auf seine Bedürfnisse zuschneiden. Die Basis ist aber schon gelungen.

Nicht gut sind die Pedale, von denen ich im Regen abgerutscht bin und die billige Klingel. Beides Cent-Artikel, die nicht zu dem Rad passen.

Preis: 7/10
Als GT light startet das Multicharger bei 4499€. Das wäre auch tatsächlich das Rad, was ich wählte, und ist damit günstiger, als die vergleichbar ausgestattete Konkurrenz. Mit dem Rad an sich kann man natürlich nicht viel anfangen, man muss das Zubehör mit bestellen, um es in einen echten Cargobike Modus zu bringen. Aber für unter 5000€ bekommt man das Rad mit Taschen und Safety Bar Kit und wäre dann komplett ausgestattet für den Transport von Kindern. Das ist ein tatsächlich kompetitiver Preis! 

Qualität: 8/10
Insgesamt ist das Rad gut verarbeitet und aufgebaut. Es gab „out of the Box“ keine Auffälligkeiten bezüglich loser Schrauben, sondern es war alles fest und flauschig. Nach etwa einem Monat haben ein paar Speichen angefangen zu knacken, aber nach einem kurzen Check bei Fahrradhandlung Willert waren keine Speichen auffällig. Das ist aber sowieso etwas, was bei einem Neurad immer auftreten kann. Ich habe dem Rad mehr zugemutet, als allen Testrädern zuvor und ich hatte nicht eine einzige Panne, keine Teile sind abgefallen, keine Schrauben haben sich gelöst. Die Qualität passt also meines Erachtens zum Anspruch. Super für Privatkunden ist auch, dass RM eine Garantie über 5 Jahre für Rahmen und Hinterbauschwinge, sowie zwei Jahre für den Akku gibt. Leider gilt dies aber nur für Privatkunden. 

Familienbike Kategorie 

Variabilität: 6/10
Das Multicharger ist tatsächlich sehr variabel. Der große Heckträger und der kleine Frontträger sind serienmäßig, was schon einmal ein Bonus ist, jedoch muss man dann sein Rad natürlich je nach Anwendungszweck ausstatten. Aber dann lässt es sich sehr variabel einsetzen. Die Möglichkeit, ein Kinderfahrrad zu transportieren ist genial, allerdings muss man dann eine Tasche abnehmen und das Rangieren ist schwierig. Ohne den Kindersitz lässt sich in das Safety Bar Kit eine 60x40cm Eurobox verstauen und das Kit eignet sich auch hervorragend dazu, Dinge zu verzurren und zu sichern. An den Gepäckträger kann man eigene Packtaschen hängen, oder man nutzt die von Riese & Müller, die ausreichend groß sind, sich aber mit montiertem Kindersitz nicht verschließen lassen. Außerdem sind sie schwierig zu montieren und abzunehmen. Darüber hinaus sind sie etwas verschnitten. Die Grundfläche ist relativ klein, was die Nutzbarkeit für große Gegenstände einschränkt.

Die Montage einer Anhängerkupplung ist möglich, aber nur ohne montierte Fußleisten. Da wäre eine dedizierte Möglichkeit super, eine Kupplung zu montieren um die Variablität zu erhöhen.

Sitze/Bank: 6/10
Riese und Müller bietet mehrere Möglichkeiten an, um Passagiere mitzunehmen und gibt den Heckträger für Menschen bis 65 kg frei. Mit dem Passagier Kit kann man größere, mit dem Safety Bar Kit kleinere Menschen mitnehmen. Und die noch Kleineren kommen in Kindersitze. Da muss man aber darauf achten, dass sie von links und rechts sich festkrallen, da die Mitte des Trägers geschlossen ist. Für Babys gibt es keine Möglichkeit, sie auf dem Rad zu platzieren. Das müsste man mit einem Kinderanhänger machen.

Zubehör: 7/10
Das bei Konfuguration wählbare Zubehör ist umfassend und geeignet für die meisten Transportaufgaben und Fahrprofile. Ich fand die mitgelieferten Flaschen ein sehr nettes und unerwartetes Feature und sämtliches Zubehör ist gut verarbeitet. Bei den Gurten hier vorne gibt es allerdings scharfe Kanten, da muss man auf den Lack achten. Zu den Taschen habe ich ja schon ein bisschen was gesagt, die haben mich nicht ganz zufrieden gestellt, da sie auch sehr schnell schmuddelig aussehen, ziemlich nach außen hängen und keinen Ablauf haben. Nach einem starken Regenguss stand das Wasser hier drin und hat Tage gebraucht, um komplett abzutrocknen. Ohne montieren Kindersitz kann man sie einfach schließen, aber mit Kindersitz würde ich auf kleinere, abnehmbare Taschen setzen, oder den Frontgepäckträger stärker nutzen.
Die Schlosstasche schließt leider nicht zuverlässig genug und ich würde mir noch Möglichkeiten wünschen, diesen Raum hinter dem Sitzrohr gut nutzen zu können. Ebenfalls fehlt ein Wetterschutz.

Parken und Rangieren: 8/10
Mit seiner Länge von etwas unter zwei Metern ist das Multicharger gut und einfach zu bewegen und rangieren, es ist aber schwer. Es passt in die meisten Fahrradständer und hat viele Stellen, wo ein Schloss durchgezogen werden kann. Allerdings verhindern die Gepäckträger vorne und hinten, dass man nah an einen Kreuzberger Bügel zum Beispiel herankommt. Dementsprechen sollte man ein langes Schloss nutzen. Wenn man das Rad auf den Ständer bringen möchte, hat sich für mich folgende Methode bewährt: Rechts bremse ziehen, vorne anheben, runterklappen. Das Rad steht sicher und auch mit einem Kind im Sitz kippt es nur um, wenn der Untergrund sehr uneben ist. Man muss dennoch darauf achten. Gerade wenn ein Kind hinten drauf sitzt kann das Rangieren allerding schon mal kippelig werden, durch den hohen schwerpunkt, daran muss man sich gewöhnen.

Sicherheit: 7/10
Das Rad lässt sich sehr intuitiv und sicher bewegen. Durch die sportliche Sitzposition kann man sich gut in die Kurven legen und hat die Kontrolle über das Rad. Wenn die Gepäckträger schwer beladen sind, neigt das Rad irgendwann zum Flattern, besonders bei hoher Beladung vorne. Die Bremsen greifen gut und die Reifen haben auch offroad genug Grip. Die Beleuchtung könnte etwas besser ausgestattet werden mit Brems- und Fernlicht und auch die Reflekorensituation ist verbesserungswürdig, besonders, da das Rücklicht in der Seitenansicht von den Taschen verdeckt wird.

Für Kinder und Passagiere ist es hier hinten super. Durch das Safety Bar Kit braucht man nicht einmal die Füße im Sitz festschnallen, da dort im Grunde nichts passieren kann. Größere Kinder können die Füße auf den breiten Boards abstellen und die Abdeckung verhindert, dass irgendwas in die Speichen gerät.

Gesamtscore: 74/100

Fazit:

Nach meinem ersten Video haben ja einige geunkt, dass es kein Reiseenduro sei oder mit einem Mountainbike nichts zu tun habe. Ich denke aber, mein erster Eindruck hat genau gepasst. Dieses Rad kann sowohl reisen, als auch klettern. Es ist variabel, alltagstauglich und hat eine gute Qualität. Es ist das perfekte Lastenrad…für eine recht kleine Gruppe an Nutzer:innen. Und zwar für genau diejenigen, die einen Reisebegleiter mit E-Motor suchen oder mit größeren Kindern in die Natur wollen. Im Familienalltag ist das Rad ab und zu überfordert. Baby transportieren? Nicht möglich ohne Anhänger. Anhänger montieren? Erst einmal Boards abbauen. Bei Regen und Kälte muss man die Kinder dick einpacken, denn im Gegensatz zum Fahrer bewegen sie sich ja nicht. Außerdem war es schon eine Einschränkung, dass ich das Rad nicht mit meiner Frau teilen konnte. Einerseits durch den fehlenden Schnellspanner an der Sattelstütze, andererseits durch die Rahmengröße. Außerdem wird die sportliche Sitzposition längst nicht jedem zusagen.

Aber…für mich? Super! Wenn die Kinder ein bisschen älter sind, beide hinten drauf setzen und eine Runde durch den Wald feuern? Oder auf einen Ausflug mit Sack und Pack? Dafür ist das Rad gemacht worden.

* Riese & Müller hat mir das Rad zur Verfügung gestellt und unterstützt mich für die Erstellung der Videos. Auf meine Meinungsäußerung, die Gestaltung meiner Videos und die Erstellung dieser Bewertung hat dies keinen Einfluss. Ich bin herstellerneutral.

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