Brompton P-Line Electric 12-fach im Test

Als ich 2021 ein Brompton für einen längeren Zeitraum testen konnte, hat mir das Rad gut gefallen. Das Level an Reife, die spannenden Lösungen und Konzentration aufs Wesentliche zeichnet Brompton schon sehr lange aus. Nun gibt es die P-Line also auch mit Motorunterstützung und einer neuen 12-Gang Schaltung.
Ich konnte das Rad ein paar Wochen im Alltag bewegen und konnte einiges erleben. Deswegen kommt hier die Bewertung nach der Radelbande Bewertungsmatrix.

Hier gehts zur Score-Übersicht.

Und hier zu der Erklärung der Bewertung.

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Fahrrad Kategorie

Fahrverhalten: 4/5
Vroom Vroom! Das ist das erste, was beim Fahren mit dem Brompton Electric auffällt. Der Motor hat ein wahnsinnig gutes Ansprechverhalten und zieht das kleine Faltrad mit viel Druck aus dem Stand. Am Anfang ist es ungewohnt, dass er zieht und nicht von hinten drückt, aber mit diesem Effekt kann nach kurzer Eingewöhnung hervorragend gespielt werden. Durch den Drehmomentsensor kann die Motorsteuerung auch sehr feinfühlig auf veränderte Pedalbewegungen reagieren. Aber der Motor ist ja nur die halbe Miete. Die Rahmengeometrie ist über die Jahrzehnte so optimiert worden, dass das kleine Fahrrad ausgesprochen agil einlenkt, aber zu keinem Zeitpunkt wackelig wirkt. Die schmalen und kleinen Reifen rollen erstaunlich gut über Kanten, Kopfsteinpflaster und Schotter. Die Bremsen brauchen viel Handkraft für eine gute Bremsperformance, verzögern aber zuverlässig, wenn auch nicht so brachial wie Scheibenbremsen. Bei Nässe ist die Bremskraft deutlich reduziert.
Die Bandbreite der 12-fach Schaltung ist ausgesprochen groß und wird für die Meisten wahrscheinlich übertrieben sein. Das schlägt sich auch in der Bedienung nieder, denn man verhaspelt sich mit den zwei Schalthebeln auch nach einigen Kilometern noch regelmäßig. Auch ist die Gesamtübersetzung sehr lang ausgelegt, sodass in den Bergen lebende wahrscheinlich unten rum den ein oder anderen Gang vermissen werden.

Innovation/Design: 2/5
Das Brompton ist auf möglichst kleines Faltmaß optimiert, wofür einige Kompromisse eingegangen werden. Die Felgenbremsen, spezielle Einbaubreiten, außen liegende Züge und 40 Jahre alte Rahmenkonstruktion sprechen eine deutliche Sprache. Allerdings macht das auch den Charme des Brompton aus. Es unterwirft sich nicht irgendwelchen Trends. Allerdings führt das auch dazu, dass die Kabelverlegung, gerade mit dem Motor, ziemlich wild wirkt. Hier wäre es möglich, Kabel durch den Rahmen zu ziehen oder sie anderweitig zu verstecken. Der vorne aufgesteckte Akku in der Tasche verstärkt dieses pragmatische Gesamtbild und hat auch Auswirkungen auf die Alltagstauglichkeit. Die Rahmengestaltung, um verschieden große Menschen platz nehmen zu lassen, ist klasse.
Bluetooth Verbindung und App konnte ich nicht testen, da dafür eine Anmeldung notwendig ist. Hier wäre eine einfache Verbindung ohne Online Anmeldung wünschenswert. Das Brompton Electric funktioniert auch ohne die Verbindung in vollem Umfang.

Ausstattung: 4/5
Das getestete Brompton (P-Line Electric, 12-fach, Roller Frame) hat eine komplette, sinnvolle Ausstattung. Die edlen Titan-Teile, Leichtbau-Reifen und -Schläuche, sowie viele andere Kleinteile sorgen für ein insgesamt sehr hochwertiges Bild. Die Beleuchtung kann allerdings nicht mithalten. Der kleine 300Wh Akku unterstützt in meinem Worst-Case-Test knapp 43km, was für die allermeisten Zwecke mehr als ausreichen sollte. Der Motor braucht im Alltag allerdings selten die dritte Stufe, um gut zu unterstützen.

Preis: 2/5
Auch wenn der Preis für die hochwertige Ausstattung, die Fertigung in UK, die vielen selbst entwickelten Komponenten und Langhaltbarkeit des Brompton okay ist, sind 4.500€ für ein Falt-E-Bike teuer. Es gibt viele deutlich günstigere Alternativen, die dann aber weder bei Faltmaß noch bei Gewicht mithalten können. Die größte Konkurrenz des P-Line ist das C-Line, das ein knappes Kilo schwerer, aber dafür auch etwa 800€ günstiger ist.

Qualität & Wartung: 3/5
Das Brompton ist auch fertigungstechnisch immer weiter optimiert worden und bietet bei der Verarbeitung keinerlei Anlass zur Klage. Die Rohrverbindungen sind sauber und durch die quasi verschleißfreien Faltverbindungen ist hier über Jahre kein Ausschlagen zu erwarten. Alle Teile sitzen fest und klapperfrei, nur die Sattelstütze sackt unter der Fahrt ein bisschen ab. Durch die Felgenbremsen und die Kettenschaltung gibt es bei der Wartung recht viel zu tun. Die Kette benötigt regelmäßig Pflege und wird schnell ziemlich dreckig. Auch die Bremsbeläge und Bremsflanken sind einem höheren Verschleiß als bei größeren Laufrädern unterworfen, von Scheibenbremsen mal abgesehen. Durch die vielen proprietären Teile ist Ersatz nur über Brompton oder Brompton-Händler zu beschaffen, die um Lübeck irgendwie einen großen Bogen machen, ansonsten aber in den meisten größeren Städten vertreten sind.

Spezial Kategorie 

Alltagstauglichkeit: 4/5
Es ist stark, wie ein Faltrad den Alltag verändert, wenn man viel multimodal unterwegs ist. In der Bahn fällt es kaum auf und passt zwischen Sitze, in die Gepäckabteile und quasi überall hin, wo auch ein Koffer stehen kann. Der Wechsel zwischen gefaltet, geschoben, gestellt und gefahren ist dabei nach kurzer Eingewöhnung schnell und einfach. Wenn Gepäck mitgenommen werden soll, ist das Brompton Electric jedoch schnell überfordert. Die Akku-Konstruktion nimmt auch in den größeren Taschen viel Platz ein und beraubt dem Brompton die einzige echte Gepäckträgeroption. Denn der Roller Frame kann nicht mit Packtaschen kombiniert werden und alles, was dort draufgestrapst wird, muss vor dem Faltvorgang entfernt werden. Also war für mich der gute, alte Rucksack im Einsatz, unter dem der Rücken dank des Motors nicht allzu stark schwitzt. Fürs Bike-Bahn-Pendeln reichen die Optionen aber aus und hier wurde wiederum der Kompromiss für den Faltvorgang eingangen.

Coolness Faktor: 5/5
Bromptons werden 500M gegen den Wind in der Nacht erkannt. An der Rahmenform, dem Geräusch der 3-Gang Nabe und dem Grinsen, das die haben, die auf einem sitzen. Und selbst Unbedarfte staunen über das Faltmaß, darüber, dass ein fast-2-Meter-Mann darauf fahren kann und über die Geschwindigkeit des Bikes. Es ist nicht nur ein Faltrad, es ist ein Way of Life!

Zubehör: 4/5
Das offizielle Zubehörprogramm für Brompton Bikes ist schon recht umfangreich und es gibt einige Taschen, Brompton spezifische Werkzeuge und Gadgets. Das Besondere ist aber, dass durch die Vielzahl an verkauften Brompton auch Dritthersteller Zubehör fürs Brompton anbieten…bis hin zu kompletten Umbausätzen, bei denen nur noch der Grundrahmen original bleibt. Allerdings muss fast alles, was ans Brompton gebaut wird, auch Brompton-spezifisch sein. Standard-Fahrradzubehör passt in der Regel nicht.

Parken und Rangieren: 5/5
Das Brompton hat ein fast konkurrenzlos kleines Faltmaß und passt fast überall hin. Und auch wenn man es nicht jedes Mal komplett einfalten möchte, nimmt es nicht viel Platz weg. Als Ständerersatz dient der einfaltbare Hinterbau, was aber dann unpraktisch ist, wenn die Fläche auf dem Roller Frame besetzt ist. Auch lässt sich das Brompton hervorragend tragen. Der Hauptrahmen und Sattel sind in einem guten Abstand, sodass das Rad mit dem Sattel auf der Schulter getragen und mit der Hand stabilisiert werden kann. Der Sattel ist auch extra zu diesem Zweck auf der Unterseite gepolstert.

Sicherheit: 1/5
Zwar lässt sich das Brompton mit der passenden Sitzposition sicher im Alltag bewegen, ein paar Kompromisse müssen dennoch eingegangen werden. Durch die E-Bike Komponenten schaukelt sich das Rad beim Freihändig fahren schnell auf und wirkt auch bei der Bedienung mit einer Hand etwas nervös. Und auch mit den kleinen, schmalen Rädern müssen Kantsteine mit etwas Übung überfahren werden. Die Bremsen brauchen viel Handkraft, verzögern bei Nässe nicht so gut wie im Trockenen und bleiben auch insgesamt hinter Scheibenbremsen zurück. Die Beleuchtung wird in der getesteten Version von dem Hauptakku gespeist und bleiben angeschaltet, wenn der Motor durch einen leeren Akku nicht mehr unterstützt. Allerdings ist der Scheinwerferkegel und -helligkeit eher dürftig. Auch die Rückleuchte ist niedrig montiert, leuchtet aber gut sichtbar.

Gesamtscore: 35/50

Fazit:

Das Brompton P-Line Electric mit der 12-Gang Schaltung ist ein faszinierendes Rad. Brompton hat es geschafft, eine Schaltung mit einer hohen Bandbreite in das bestehende Konzept zu integrieren und geht auch keine Kompromisse in der Faltbarkeit ein. Die Kompromisse müssen dann von den Besitzer:innen gemacht werden, aber betrachtet man die Anzahl der verkauften Brompton, scheint das nicht schlimm zu sein.
Nach mehreren Wochen der Nutzung habe ich mich an die Besonderheiten gewöhnt und genoss jeden Kilometer mit dem Bike. Die P-Line Electric mit der 12-Gang Schaltung würde ich jedoch kaum jemandem empfehlen. Die C-Line mit der 6-Gang Schaltung wird für die allermeisten Szenarien mehr als ausreichen und wenn ihr in einer flacheren Gegend wohnt, passte auch die 4-Gang Schaltung. Der Motor an sich ist eine echte Bereicherung für dieses Rad, denn so können gerade Strecken, für die das Brompton gedacht ist, wenig schweißtreibend zurückgelegt werden. Duschen vor dem Meeting gehört dann der Vergangenheit an.
Je kleiner ein Faltrad sein soll, desto mehr Kompromisse müssen eingegangen werden. Das Brompton reitet auch nach knapp 40 Jahren erfolgreich auf dieser Rasierklinge.

* Brompton hat mir das Rad zur Verfügung gestellt und das Video unterstützt. Auf unsere Meinungsäußerung, die Gestaltung der Videos und die Erstellung dieser Bewertung hat dies keinen Einfluss. Wir sind herstellerneutral.

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