Kompakte Falträder und Lastenräder sowie ein umfangreiches Zubehörprogramm. Darauf hat sich der Taiwanische Hersteller Tern konzentriert. Und nun haben sie mit dem Tern Orox das unerwartetste Fahrrad 2024 herausgebracht. Aber was kann das Fat-Cargobike? Und für wen ist es geeignet?
Wir konnten es mehrere Wochen testen und sind über 400km damit gefahren um das herauszufinden.
Hier gehts zur Score-Übersicht.
Und hier zu der Erklärung der Bewertung.
Fahrrad Kategorie
Fahrverhalten: 4/5
Das Tern Orox hat in Bezug auf das Fahrverhalten eine Besonderheit, erst einmal geht es darum, was alle Versionen betrifft. Die Sitzposition ist sehr Mountainbike-mäßig. Ein breiter Lenker und die sportliche Sitzposition zeigen gleich, dass das Bike nicht zum Bummeln, sondern zum Ballern gebaut wurde. Das Unterstreicht auch der kräftige Motor, der in Verbindung mit der 12 Gang Kettenschaltung das Orox sehr vehement beschleunigt und dank der sehr großen Übersetzungsbandbreite auch nicht vor steilen Anstiegen zurückschreckt.
Die Geometrie ist dann auch so abgestimmt, dass das Vorderrad trotz des hohen Schwerpunkts kaum steigt und somit auch beim Bergauffahren eine hohe Sicherheit vermittelt. Die Reichweite ist dank der 2 Akkus enorm. Im flachen Stadtbetrieb mit 1600Wh Kapazität kommen wir im Turbo Modus etwa 100km weit. Wie sich das Orox allerdings in Kurven und Offroad verhält, ist von der Wahl der Laufräder abhängig. Einmal gibt es einen 28″ Laufradsatz mit bis zu 65mm breiten Reifen und dann einen 27,5″ Laufradsatz mit 4″ breiten Reifen.
Der 4″ Laufradsatz ist für den Einsatz im Gelände, auf Schotter, Steinen, Trails, gedacht. Und dort kann er und das Rad seine Stärken voll ausspielen. Stoisch rollt das Tern Orox über alles drüber und ist auch beladen leicht kontrollierbar. Auf Asphalt nerven die Reifen irgendwann mit Vibrationen und dem lauten Abrollgeräusch. Ebenfalls erfordern die Reifen recht hohe Bedienkräfte und fangen in schnellen Kurven auf Asphalt an zu schwimmen, bieten dafür aber einen außergewöhnlich hohen Komfort.
Der 28″ Laufradsatz macht das Tern Orox lebendiger und agiler, ohne jedoch etwas im Geradeauslaufen einzubüßen. Dafür sind dort natürlich Kompromisse im Offroad-Grip und Komfort hinzunehmen.
27,5″ für reinen Offroad-Betrieb, 28″ für alles andere.
Innovation/Design: 5/5
Das hat es so noch nicht gegeben. Die Idee eines Offroad Lastenrads ist natürlich schon von diversen Herstellern umgesetzt worden, allerdings noch nie in dieser Konsequenz…und vor allem nicht von einem großen Fahrrad-Hersteller. Und Tern hat alles gegeben, damit das Orox dennoch als Tern zu erkennen ist und wie ein Tern funktioniert. Wobei auf ein paar Details verzichtet wurde, um die Stabilität nicht zu kompromittieren. Das Betrifft auch den Punkt, dass das Orox das, meines Wissens, erste Tern mit zwei unterschiedlichen Rahmenhöhen ist. Das tut aber der Funktion und Innovation keinen Abbruch, denn es ist dafür auch bis 130kg Gewicht auf dem Sattel freigegeben. Und es zieht wirklich die Blicke auf sich. Mit kaum einem anderen Lastenrad hatte ich so viele interessierte Gespräche, wie mit dem Tern Orox. In Sachen Konnektivität nutzt das Rad die Vorteile des Smart Systems von Bosch und kann so auch individuell angepasst werden.
Ausstattung: 5/5
Dass das Orox das Topmodell von Tern ist, sieht man nicht zuletzt an der Ausstattung. Alle Komponenten sind von hoher Qualität und Stabilität. Besonders hervorzuheben ist das Licht, die standardmäßige zweite Akkuaufnahme, sowie die Ergon Mountainbike Komponenten.
Preis: 2/5
Den Preis eines so spezialisierten Produkts wie dem Orox zu bewerten ist nicht ganz einfach, da es besonders mit dem 27,5″ Laufradsatz einfach keine Konkurrenz hat. Mit dem 28″ Laufradsatz jedoch kommt es in Regionen, die auch andere Long Tail Lastenräder abdecken können, die deutlich günstiger sind. Da werden die vielen Spezialteile wieder zur Herausforderung. So wird das Orox zur G-Klasse der Fahrradwelt. Äußerst fähig und vielseitig, aber auch sehr teuer.
Qualität & Wartung: 4/5
Die Verarbeitungsqualität und Aufbau des Testbikes waren auf einem sehr hohen Niveau und wie schon vorher erwähnt, sind auch alle Anbauteile von hoher Qualität. Das Tern-Händlernetz ist verhältnismäßig dicht und dank des Distributors Hartje im Hintergrund sind auch Ersatzteile schnell beschafft. Allerdings sollte man die Sonderteile immer im Hinterkopf behalten. Sowohl Reifen als auch Schläuche in den passenden Dimensionen zu finden ist nicht ganz leicht und auch Kettenführung und Kurbelarme sind keine Standardteile. Worauf auch besonders beim S12 besonders geachtet werden muss ist der Kettenverschleiß. Die Kette ist recht lang und ziemlich stark Dreck ausgesetzt. Zusammen mit der hohen Motorleistung und besonders schwer beladen halten Ketten an dem Orox nicht lange. Hier kommt auch leider nicht das Linkglide System zum Einsatz, das im E-Bike Bereich für höhere Haltbarkeiten sorgen kann, aber aktuell nicht für 12-fach Systeme angeboten wird.
Lastenrad Kategorie
Variabilität: 4/5
Dass Tern bereits viel Erfahrung mit Lastenrädern sammeln konnte, ist auch beim Orox erkennbar. Mit Platz für Eurobox, Streben für Packtaschen und einem hoch belastbaren Frontgepäckträger hat es alle Punkte aus dem Long Tail Playbook. Damit ist es sowohl für den Lastentransport, als auch für die Mitnahme von Menschen gut geeignet. Ja, nicht nur Kinder, dank der 100kg Freigabe des Gepäckträgers. Ein besonderes Detail, das die Variabilität erhöht ist auch die Anhängerfreigabe und spezielles Zubehör, um nicht nur Anhänger, sondern auch ganze Fahrräder mitzunehmen. Zusätzlich zur großen Gewichtsfreigabe ist das Tern Orox ziemlich variabel, leidet aber voll ausgestattet an einem hohen Eigengewicht.
Kindersitze/ Bank: 4/5
Wir sprechen bei dem Orox natürlich über ein Long Tail, das dahingehend einige Vorteile hat, besonders was die Mitnahme größerer Kinder angeht. Für den Transport von Babies ist das Rad nicht geeignet, kann diesen Umstand aber durch die einfache Montage einer Anhängerkupplung kompensieren. Alle Kindersitzlösungen von Tern sind durchdacht und gut ausgeführt. Die Sitzpolster sind kombinierbar und leicht wechselbar, die Rückenlehne mit den Reflektoren und der Captains Chair tolle Ideen. Soweit Long Tail Lastenräder für den Kindertransport geeignet sind, spielt das Orox ganz vorne mit, hat aber durch die großen Räder schon einen Nachteil im Vergleich zu den Long Tails mit 20″ Bereifung.
Zubehör: 4/5
Das Zubehör macht das Lastenrad! Das hat Tern erkannt und bietet ein ganzes Ökosystem verschiedenster Zubehöre für deren Lastenräder an, die sich auch größtenteils miteinander kombinieren lassen und auf verschiedene Lastenräder passen. Sei es das Clubhouse, den Frontgepäckträger oder die klappbaren Trittbretter – alles ist durchdacht, super verarbeitet und vielseitig, wenn auch ein bisschen teuer. Auf das Orox passt allerdings nicht unbedingt alles drauf, was auf die kleineren Räder passt.
Parken und Rangieren: 3/5
Das Tern Orox ist ein großer Koffer, der mit den großen Rädern und der großen Gesamtlänge ein paar Nachteile hat, was das Parken und Rangieren angeht. Normalerweise schneiden Long Tail Räder in diesem Punkt sehr gut ab, aber beim Orox musste ich teilweise schon tricksen, wenn es ums Abstellen und Anschnallen ging. Wobei das reine Abstellen dank des sehr guten Ständers leicht von der Hand geht und das Rad auch dank der Extended Lock Stands sicher steht, auch wenn Kinder selbst auf den Gepäckträger aufsteigen. Diese verrutschten in unserem Testzeitraum jedoch regelmäßig.
Durch das besondere Räder-Setup ist ein Speichenschloss nicht möglich, sodass wir im Alltag auf ein Faltschloss zurückgegriffen haben, was dann teilweise etwas zu kurz war. Für größere Schlösser gibt es aber nur im Mittleren Teil des Bikes sinnvolle Optionen, ein Schloss durch den Rahmen zu ziehen. Hier ist die große Rahmentasche im Weg, um das Rad weiter vorne anzuschließen.
Beim Rangieren ist am ehesten der hohe Schwerpunkt erkennbar, den das Rad während der Fahrt gut kompensieren kann. Besonders mit Kindern hinten drauf gerät das Rad durchaus mal ins Wanken.
Sicherheit: 5/5
Eine gut kontrollierbare Fahrt, einfach zu bedienende und zuverlässige Bremsen und hoher Grip der Reifen. Das Tern Orox ist sehr sicher zu bewegen, sowohl auf der Straße, als auch abseits befestigter Wege. Der helle Scheinwerfer mit Fernlicht, Rücklicht mit Bremslicht sowie zusätzliche Reflektoren an den Taschen erhöhen ebenfalls noch einmal die Sicherheit. Und auch die Sicherheit der kleinen Passagiere ist gegeben hinten auf dem Gepäckäträger, auch wenn ich mir hier noch eine zweite Strebe links und rechts am Clubhouse wünschen würde.
Gesamtscore: 40/50
Fazit:
Mit den 27,5″ Laufrädern ist das Orox perfekt für den Einsatz an Orten, wo bisher auf 4×4 und schweres Gerät vertraut wurde. Forst, Jagd und Rettung sind solche Einsatzgebiete. Jedoch ist es dann auch für echte Abenteuer gerüstet für die ganze Familie.
Im Alltag wird für die Meisten jedoch der 28″ Laufradsatz reichen, denn der ist schon fähiger als fast alle anderen Räder, die dann oft noch mit 26″ Laufrädern kommen. Allerdings hat Tern auch starke Konkurrenz zu dem Orox im Haus. Und wenn das Einsatzgebiet im Wesentlichen aus Innenstadt und ab und zu einer Fahrradtour besteht, sind diese Alternativen sicherlich spannender und günstiger.
Aber manchmal muss es ja auch sein, dass ein Produkt die Option auf ein Abenteuer verspricht…und das kann das Orox definitiv!
*Tern/ Hartje hat uns das Rad zur Verfügung gestellt und das Video finanziell unterstützt. Auf unsere Meinungsäußerung, die Gestaltung der Videos und die Erstellung dieser Bewertung hat dies keinen Einfluss. Wir sind herstellerneutral.