Riese & Müller Packster 70 im Test

Wir konnten als eine der ersten Familien das brandneue Riese & Müller Packster 70 über 8 Wochen im Alltag testen. Dies ist die Radelbande Bewertung.

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Und hier zu der Erklärung der Bewertung.

Fahrrad Kategorie

Fahrverhalten: 9/10
Das neue Riese & Müller Packster 70 folgt in Sachen Fahrdynamik seinen Vorgängern. Die Lenkung ist sehr direkt und man ist sehr agil unterwegs. Der Motor ist unauffällig und fein abgestimmt, sodass er immer die Unterstützung bietet, die man als Fahrer/in gerade benötigt und hält sich akustisch zurück. Durch die Gewichtsverteilung und die beiden Akkus vorne ist immer etwas Last auf dem Vorderrad. Dadurch fühlt sich das Vorderrad zu keinem Zeitpunkt „leicht“ an. Es ist also immer gut kontrollierbar. Das Rad ist recht komfortabel, aber durch den steilen Lenkwinkel und die eher schlecht ansprechende Federsattelstütze weiß man trotzdem genau, wie der Untergrund beschaffen ist. Die Sitzposition ist gut, durch das hohe Tretlager sitzt man recht hoch auf dem Rad. Das verbessert die Übersicht, aber das Aufsteigen wird etwas erschwert.

Was noch auffällt: das Packster mit dem Doppelakku ist ein Langläufer! Ich war in der Lage etwas über 100km Reichweite im gemischten Betrieb herauszuquetschen.

Innovation/Design: 8/10
Das Packster 70 wurde von Grund auf neu konstruiert. Ob man das Design mag oder nicht ist Geschmackssache. Auf jeden Fall ist der Grad der Integration beeindruckend und das Rad ist auf jeden Fall ein Hingucker, besonders in dem Rot.

Die Konstruktion der Front des Riese & Müller Packster 70 ist diskussionswürdig. Durch die Kompaktheit kann das Schutzblech nicht weit herunter gezogen werden und der Dreck von der Straße verteilt sich auf der Außenseite der Box. Laut Riese und Müller ist der Bereich hinter dem Vorderrad bewusst als eine Art Kotflügel entwickelt worden. Es tut auch seinen Zweck und hält Dreck und Wasser vom Innenraum fern. Beim Auto aber ist der Dreck im Kotflügel versteckt. Hier präsentiert er sich förmlich. Das finde ich nicht schön und man sollte diesen Bereich regelmäßig reinigen.
Bei der Konstruktion fällt auf, dass sie 100%ig stabil ist. Beim Fahren, auch mit schweren Lasten, hat der Rahmen keinen merklichen Flex und knarzt oder klappert auch nicht. Durch die Position des Ständers kann es beim Fahren passieren, dass man je nach Schuhgröße und Pedalstellung an den Ständer gerät. Das ist nicht gefährlich, kann aber irritieren.

Sehr genial ist die Seilzuglenkung. Die ist mit zwei dickeren Zügen ausgestattet, anstatt mit vier dünneren, wie es bei den meisten Cargobikes mit Seilzuglenkung der Fall ist. Das sorgt dafür, dass das System weniger Platz benötigt und komplett gekapselt verlaufen kann.
Die verbauten Materialien verstärken Klappern von Gegenständen in der Box. Da sollte man mit einer Bodenmatte oder Ähnlichem arbeiten, denn das ist ziemlich und kann auch zu einer Geräuschbelastung für die Insassen werden.

Ausstattung: 9/10
Das Testbike ist mit dem Performance Package ausgestattet. Das beinhaltet ein Upgrade bei den Bremsen, Licht und Sattelstütze. Das Licht, also die M99 Mini Pro und das M99 Rücklicht sind genial. Das beste Licht, das ich bislang an einem Testrad hatte. Die Sattelstütze kann ich nicht empfehlen. Die spricht nicht gut an und ist auch für Menschen über 1,90 nicht geeignet. Die Bremsen hinterlassen einen zwiegespaltenen Eindruck. Die Scheiben und Beläge sind dicker, sodass die Teile länger halten sollten und sie bremsen auch wirklich gut! Aber man muss sie penibel sauber halten. Und man braucht viel Handkraft, um sie zu betätigen und scharf bremsen zu können. Das kann gerade für kleinere und leichtere Fahrer/innen im Alltag bei Stop&Go anstrengend sein.

Der Rest der Ausstattung passt sowohl funktional, haptisch und optisch zum Fahrrad, mal wieder mit Ausnahmen der Klingel und der Pedalen. Das ist Commodity Standardware, die einem 8.500 Euro Fahrrad nicht würdig ist.

Preis: 3/10
Das Riese & Müller Packster 70 ist in drei Grundausstattungen bestellbar. Für unter 7.000 Euro kann man das Packster 70 Touring mit Kettenschaltung zu einem voll alltagstauglichen Kindertransporter ausstatten.
Für möglichst geringen Wartungsaufwand empfiehlt sich aber die Enviolo mit Riemen, wodurch der Grundpreis schon deutlich Richtung 7.000 Euro geht.

Was ein bisschen schräg ist, ist die Akku-Ausstattung. Entweder 500Wh oder 1250 Wh. Und wenn man 500 Wh wählt, kann man auch nicht, oder nur mit sehr großem Aufwand, auf einen Doppelakku erweitern. 500Wh reichen zwar wahrscheinlich für die Meisten aus, aber wenn es nicht ausreicht, muss man gleich ganz tief in die Tasche greifen. Die sonstigen Zusatzausstattungen sind angemessen eingepreist, ich finde aber schade, dass man die Optionen aus dem Performance Package nicht einzeln bekommt.

Qualität: 7/10
Das Packster ist solide gebaut. Alle Schweißnähte und Verbindungen sind sauber gearbeitet und die Beschichtung ist ebenfalls hochwertig. Die komplett gekapselte Seilzuglenkung verspricht eine lange Haltbarkeit. Beim Testen sind mir allerdings zwei Punkte aufgefallen. Erstens machen die Speichen beim Wenden und langsamen Fahren Geräusche. Und zweitens hat bereits nach wenigen Winterwochen die Federgabel angefangen zu rosten. Da muss man auf jeden Fall ein Auge drauf werfen und die Gabel regelmäßig pflegen. Nach Aussage des Mechanikers 2-3x pro Woche. Dies gilt aber für alle Räder mit Federgabel. Das ist natürlich eine Garantiefrage und würde spätestens bei den regelmäßigen Inspektionen behandelt werden.
Bis auf diese Punkte ist die Qualität in der Konstruktion und dem Aufbau des Riese & Müller Packster 70 aber sehr gut!

Familienbike Kategorie 

Variabilität: 8/10
Das Riese & Müller Packster 70 ist um die große EPP Box herum designed worden. Es ist nicht ohne Weiteres möglich sie abzubauen, um eine flache Ladefläche zu erhalten, da die Züge der Lenkung und Kabel in der Boxwand entlang laufen. Damit fällt natürlich etwas Variabilität weg, aber wenn man breitere Dinge transportieren möchte, kann man sie auch auf dem Boxrand verzurren, sofern sie flach sind.

Die Box des Packster 70 lässt sich variabel nutzen. Es gibt ein Cargo Carry System, mit dem sich Euroboxen und andere Gegenstände sinnvoll platzieren und befestigen lassen. Aber auch ohne das Cargo Carry System lassen sich Dinge in, an oder auf der Box einfach verzurren, dank der Griffe und der inneren Reling. Wenn die Kindersitze montiert sind, lässt sich mit etwas Gewalt eine Eurobox quer platzieren und die steht dann auf den Griffen. Dies steht dann allerdings ziemlich schief und somit ist das nur eine Notlösung, denn längs passt keine große Box mehr rein. Dass sich die Sitzbank hochklappen lässt, ist zwar gut, bringt aber nicht viel Platz. Leider lässt die Sitzbank sich auch nicht einfach entnehmen.
Ein Zwischenboden würde die Variabilität erhöhen, da der Platz schon recht beengt ist, wenn Kinder in der Box sitzen.
Super finde ich, dass der Gepäckträger immer standardmäßig verbaut ist. Da kann man im Zweifel ein Kind auslagern oder mit Packtaschen fahren, um den insgesamt nutzbaren Raum zu vergrößern.

Sitze/Bank: 8/10
Die Bank selbst ist sehr angenehm. Eine sehr hohe Rückenlehne und Seitenwände, genug Platz bis zum Boden und die Verstellmöglichkeit sorgen dafür, dass der Mittagsschlaf auch im Riese & Müller Packster 70 stattfinden kann. Im unteren Fußraum wird es bei zwei Passagieren schnell eng, drei Passagiere müssen sich sehr mögen. Das Polster ist zwar wasserabweisend, es bleibt aber dennoch ein kleiner Film übrig, der für einen nassen Popo sorgen kann.
Die Gurte sind mittelmäßig. Kinder lassen sich leicht anschnallen, dadurch, dass der 5-Punkt-Gurt mit nur 3 statt 5 losen Enden kommt. Aber der Verschlussmechanismus fühlt sich billig an, die Gurte sind recht schmal und die Verstellung ist ziemlich fummelig. Schade auch, dass keine Halsschoner mehr verbaut werden.

Wie richtig gute Gurte aussehen, zeigt hingegen die Babyschale. Von der bin ich echt begeistert! Die lässt sich, Riese & Müller typisch, mit einem Spanngurt an dem Griff und einem Karabiner unten in der Box befestigen. Das ist in etwa so aufwändig, wie eine Autobabyschale ohne Basisstation im Auto anzugurten. Das Kind sitzt, bzw. liegt sehr gut darin, auch mit Fußsack, und hat einen sehr guten Gurt!
Als Highlight lässt sich die Babyschale mit Kind drin auch sehr einfach tragen. Das ist eine sehr gute Lösung und eine gelungene Alternative zur Autobabyschalenhalterung.
Etwas unschön finde ich, dass der vordere Bereich in der Box sehr zerklüftet ist und die harten Rahmenteile hervorstehen. Ich denke, der dritte Sitz würde das sowohl optisch, als auch praktisch verbessern.

Zubehör: 8/10
Das Riese & Müller Packster 70 lässt sich bereits bei der Konfiguration auf die eigenen Bedürfnisse anpassen. Und hier bietet Riese & Müller schon einige sinnvolle Optionen, die auch hochwertig sind und angemessen eingepreist. Was mir noch fehlt sind Verstaumöglichkeiten für Spielzeug oder ähnliches in der Box, sowie der bereits angesprochene Zwischenboden.

Parken und Rangieren: 9/10
Mit der Seilzuglenkung, dem steilen Lenkwinkel und dem sehr großen Lenkeinschlag ist das Riese & Müller Packster 70 ein Rangiertraum. Es hat den kleinsten Wendekreis aller bisher von mir getesteten Long Johns und lässt sich zielsicher überall hineinzirkeln. Das Aufstellen und vom Ständer nehmen gelingt super einfach und das Rad steht sicher.
Zum Anschließen bieten sich auf der Hinterseite des Fahrrads einige Punkte an. Gut ist, dass das Speichenschloss zur Standardausstattung gehört. Das Packster 70 ist allerdings für viele Fahrradparkplätze zu breit, sodass man regelmäßig kreativ werden muss beim Abstellen.

Sicherheit: 8/10
Das Riese & Müller Packster 70 ist ein modernes Cargobike und als solches mit allen Sicherheitsfeatures ausgestattet, die man erwartet. Bremslicht, standfeste Bremsen, eine hohe Schulterlinie bei den kleinen Passagieren und zusätzliche Reflektoren. Fast noch wichtiger: Es lässt sich intuitiv und leichtgängig bewegen und hat durch die Gewichtsverteilung immer guten Grip. Insgesamt also ein hohes Sicherheitsniveau, jedoch muss ich anmerken, dass die standfestere Bremse und das Bremslicht Bestandteil des Performance Pakets sind.

Gesamtscore: 77/100

Fazit:

Das Riese & Müller Packster 70 ist eine gelungene Neuentwicklung und ein neuer Benchmark im Bereich der großen Premium Long Johns. Die umgesetzten Ideen in der Box, die stabile Konstruktion und der große Alltagsnutzen sprechen besonders Familien, auch mit sehr kleinen Kindern, an. Für drei Kinder in der Box könnte der Platz aber zu knapp bemessen sein. Das Fahren gelingt auch mit größeren Lasten mühelos und das Packster erweist sich als agiler und sportlicher Begleiter. Meine Frau und ich mussten regelmäßig ausknobeln, wer das Packster fahren darf.

Die rostende Federgabel, Bremsscheiben und der Schraube im Innenraum, sowie die klingelnden Speichen dämpfen den guten Eindruck, wobei gerade die Federgabel auch funktional leidet. Hier muss man als Eigner immer besonderes Augenmerk auf eine gute und regelmäßige Pflege richten.

Insgesamt ist das Riese & Müller Packster 70 ein komplett empfehlenswertes Cargobike, wenn man bereit ist, den hohen Preis zu bezahlen.

* Riese & Müller hat mir das Rad zur Verfügung gestellt und unterstützt mich für die Erstellung der Videos. Auf meine Meinungsäußerung, die Gestaltung meiner Videos und die Erstellung dieser Bewertung hat dies keinen Einfluss. Ich bin herstellerneutral.

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2 Kommentare

  1. Hallo Tilman,
    vielen Dank für den guten und ausführlichen Bericht.
    Habe ich das richtig verstanden, dass es keine Möglichkeit gibt, eine Autobabyschale zu befestigen, sondern stattdessen darauf angewiesen ist, die R+M Babyschale passend mitzubestellen?

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