Velo de Ville FR8 – neues Full Size Lastenrad

Velo de Ville ist besonders für ihre sehr breit konfigurierbaren Räder und E-Bikes bekannt. Und sie beschränken sich nicht auf einige wenige Komponenten, sondern durch die eigene Pulveranlage lassen sich dutzende verschiedene Farbtöne auswählen. Das FR8 steht seinen kleinen Geschwistern da in nichts nach. Aber wie schlägt sich das erste Lastenrad von Velo de Ville?

Wir konnten das Rad ein paar Wochen im Alltag bewegen. Deswegen kommt hier die Bewertung nach der Radelbande Bewertungsmatrix.

Hier gehts zur Score-Übersicht.

Und hier zu der Erklärung der Bewertung.

https://youtu.be/fsCFkKyiZD0

Fahrrad Kategorie

Fahrverhalten: 3/5
Velo de Ville hat das FR8 als großes Family Long John entwickelt und diese Räder kommen immer mit einem verhältnismäßig hohen Gewicht. Das FR8 lässt sich zuverlässig bewegen, ist aber unter der Fahrt schwerfällig. Gerade für leichtere, kleinere Personen ist das etwas unangenehm. Der Motor hält das Rad in der Ebene gut auf Geschwindigkeit, wird aber schon bei leichten Steigungen voll ausgereizt. Die kurze Primärübersetzung sorgt dann wiederum dafür, dass auch stärkere Steigungen gut genommen werden können, wenn auch langsam. Kurven und Lastwechselsituationen nimmt das FR8 ohne Probleme hin und lässt sich nicht aus der Ruhe bringen, will aber mit kundiger Hand bewegt werden. Auf der anderen Seite der Medaille steht der sehr hohe Komfort, stoischer Geradeauslauf und die bequeme Sitzposition. Außerdem hat es eine der besten Bremsleistungen, die wir bisher mit Lastenrädern erlebt haben.

Innovation/Design: 3/5
Das große Long John lässt sich kaum noch neu erfinden und auch Velo de Ville nutzt eine vorhandene und gut funktionierende Rezeptur. Sie haben sich in verschiedenen Punkten an bestehenden Marktbegleitern orientiert und einen eigenen Twist gegeben. Herausgekommen ist ein stattlich aussehendes Bike, das zwar nicht an die „Eleganz“ eines Ca Go herankommt, aber auch nicht plump wirkt. Form follows Function war die Devise und die Box ist der deutlichste Nachweis dafür. Die ist sehr komplex und nicht nur optisch außerordentlich stabil gefertigt. Insgesamt ist die strukturelle Integrität des FR8 unerreicht. Die Positionierung der Akkus sorgt auch beim unbeladenen Bike für eine ausgeglichene Gewichtsverteilung, allerdings kommt man nur schwer an die Akkus heran, um sie zum Laden herauszunehmen.
Das Rad ist mit dem neusten Bosch-System ausgestattet und bietet somit viele Konnektivitätsoptionen. Auch der GPS-Tracker, der mit der Velomate App steuerbar ist, lässt einen nachts gut schlafen.

Ausstattung: 4/5
Die Ausstattung hängt im wesentlichen von der gewählten Konfiguration ab, aber Velo de Ville hat mehrere Möglichkeiten, das Rad an die eigenen Bedürfnisse anzupassen. Der starke Motor, die gute Bremse und die Enviolo sind gesetzt, Riemen ist optional und auch die Auswahl des passenden Displays überlässt Velo de Ville den Endkund:innen. Der 500Wh Akku in der Basisausstattung ist für so ein Rad deutlich zu klein, 750Wh haben uns aber gut 40km weit gebracht pro Akkuladung. Fernlicht und Bremslicht lassen sich leider nicht konfigurieren, was in dem Preisbereich eigentlich gesetzt sein sollte. Highlights sind die tollen Griffe, Pedale und der sehr bequeme Sattel, sowie die (optionale) gefederte Sattelstütze von By.Schulz.

Preis: 3/5
Fahrräder in diesem Segment sind nicht günstig. Auch das FR8 startet als nackter Hirsch bei knapp 6.500€. Das ist im Anbetracht der Ausstattung und im Vergleich zu den Mitbewerbern aber eine ganze Ecke günstiger. Und auch wenn es mit voller Familien-Ausstatung bestückt wird, bleibt es einige hundert Euro günstiger als Ca Go, Packster und Cluuv und wenn man bereit ist, ein paar Kompromisse bei der Ausstattung einzugehen, bleibt das Rad deutlich unter 8.000€ mit voller Kinderausstattung. Das ist angemessen, wenn auch nach wie vor teurer als ein voll ausgestattetes Urban Arrow.

Qualität & Wartung: 5/5
Besonders mit der Ausstattung, die wir im Test hatten, ist das FR8 ein Set&Forget Bike. Alles ist auf Langlebigkeit und möglichst sorgenloses Fahren ausgelegt. Auch die Verarbeitungsqualität und klapper- sowie knarzfreie Fahrt hat uns gefallen. Dank der Elevated Chainstay ist der Ausbau des Hinterrads ein Kinderspiel und die Schwalbe Pickup Reifen versprechen hohe Laufleistungen und Pannensicherheit. Auch die Bremse ist mit ihren dickeren Scheiben und Belägen wartungsarm. Velo de Ville hat außerdem ein recht dichtes Händlernetz für den Service. Kleinere Kritik gibt es am Akkufach, denn in dieses gelangt Sand und Dreck von der Straße.

Lastenrad Kategorie 

Variabilität: 4/5
Mit 250kg zulässigem Gesamtgewicht reizt das FR8 die Grenzen voll aus und dadurch kann es auch mit schweren Lasten gut umgehen. Dank der Option, eine flache Ladefläche zu verwenden ist auch der Transport von sperrigen Gegenständen kein Problem. Diese lassen sich dank der Haken-Lösungen auch leicht verzurren.
Ist die EPP Box montiert, lässt sie sich nicht schnell und einfach abnehmen und der verfügbare Platz schrumpft auf knappe 60x40cm Eurobox-Größe, kann aber innerhalb der Box etwa 50 hoch beladen werden. Die einfach klappbare Sitzbank ist eine super Sache für größere Einkäufe. Wenn Kinder darauf sitzen, ist vorne noch Platz für kleine Rucksäcke. Allerdings gibt es von Velo de Ville noch keine Trennmöglichkeit, sodass die Rucksäcke in der Box herumpurzeln. Wir haben sie an die Maxi-Cosi Halterung gehängt, was auch gut funktioniert hat. Kleinigkeiten, wie Trinkflaschen der Kinder, Schlösser etc. lassen sich super in den Netztaschen in der Box verstauen oder es lassen sich die unfassbar vielen Anschraubpunkte an und in der Box nutzen. Ein Gepäckträger ist zum Testzeitpunkt nicht verfügbar, aber dringend angeraten, um die Variabilität zu erhöhen.

Kindersitze/ Bank: 3/5
Die Kindersitzbank des FR8 hat eine schön hohe, gut gepolsterte Rückenlehne und die Kinder können durch die „Ohren“ an der Box auch gut seitlich anlehnen. Allerdings ist genau an dieser Stelle eine Metallblende mit herausstehenden Schrauben. Da wäre ein zusätzliches Polster sinnvoll. Die Bank ist mit 40cm verhältnismäßig schmal und die Kinder sitzen, gerade mit dicken Klamotten, ziemlich eingeengt. Dafür ist die Bank so hoch montiert, dass sie eine natürliche Sitzhaltung einnehmen können und die Beine nicht ausstrecken müssen. Dadurch haben sie nach vorne recht viel Platz.
Die Gurte haben einen weiten Verstellbereich, sind aber nur an drei Punkten verankert und sehr einfach geraten. Gurtpolster sucht man vergeblich, aber dafür rutschen sie nicht über die Schultern sondern bleiben an Ort und stelle. Kinder bis ca. 7 Jahre finden auf der Sitzbank gut Platz, werden aber nach oben hin schnell von dem Allwetterverdeck eingeschränkt, besonders mit Helm. Eine zweite Sitzbank gibt es nicht, aber dafür lassen sich im FR8 mit der Maxi-Cosi Halterung Babys mitnehmen.

Zubehör: 3/5
Das FR8 hat durch die vielen Anschraubpunkte an und in der Box sehr viel Potential für eine ganze Reihe spezifischen Zubehörs. Aktuell ist die Auswahl auf wesentliche beschränkt und bietet fast alles, was für den Alltag benötigt wird. Diese Teile lassen sich im Konfigurator direkt auswählen. Der bereits erwähne Gepäckträger und die Laderaumtrennung fehlen noch und ein etwas einfacheres Verdeck wäre für Viele auch eine gute Option. Das Allwetterverdeck ist äußerst vielseitig und einfach in der Bedienung, bei flach stehender Sonne können die „Dachfenster“ aber stark die Person auf dem Sattel blenden.

Parken und Rangieren: 4/5
Durch die Full Size Maße braucht das FR8 in der Garage deutlich mehr Platz als normale Fahrräder, ist aber auf einer Stufe mit den anderen Räder dieses Segments. Die Lenkung hat nicht den gleichen Lenkeinschlag, wie es mit einer Seilzuglenkung möglich wäre und macht so Rangiermanöver etwas aufwändiger. Das hohe Gewicht des Fahrrads tut da auch seinen Teil, auch wenn es recht leicht aufrecht zu halten ist, die Schiebehilfe ist aber dennoch häufiger notwendig. Der Ständer ist einer der besten, die es in dem Bereich gibt. Auch bei schwer beladenem Rad ist er leicht in der Bedienung, hat einen sicheren Stand und er lässt sich im Anfahren einklappen.
Ebenso gut sind die Optionen beim Anschließen, denn das hintere Rahmenteil bietet einige mögliche Öffnungen, um ein Schloss durchzuziehen und das Speichenschloss mit optionaler Einsteckkette vereinfacht es ebenfalls. Vorne ist es allerdings nicht möglich. Schade ist, dass Schloss und Akkufach nicht den gleichen Schlüssel nutzen.

Sicherheit: 4/5
Die Fahrsicherheit des FR8 ist groß. Die aufrechte Sitzposition ermöglicht einen guten Überblick, alle Bedienelemente sind in Griffweite, das Rad ist entspannt abgestimmt und die Bremsen über jeden Zweifel erhaben. Die große Breite im vorderen Bereich macht das Rad bei Engstellen etwas unübersichtlich. Die Beleuchtung ist gut. Besonders der hochwertigere Scheinwerfer hat ein breites Leuchtbild, ist schön hell und von der Seite sichtbar, bietet aber kein Fernlicht. Hinten leuchtet es ebenfalls hell, aber es muss ohne Bremslicht auskommen. Beim Rad sind alle notwendigen Reflektoren verbaut, wenn das Regenverdeck montiert ist, hat dieses allerdings viele reflektierende Paspelierungen und ist sehr gut erkennbar. Die Box an sich hat aber keine weiteren reflektierenden Elemente. Die Sicherheit für die Kinder hat sehr viel Licht, aber auch ein bisschen Schatten. Die Box hat eine sehr hohe Stabilität und ist sehr hoch gezogen, allerdings sind die Gurte verbesserungswürdig.

Gesamtscore: 43/50

Fazit:

Das FR8 ist ein spannendes Produkt, da es der Lastenrad-Erstling eines etablierten Fahrradherstellers ist. Und Velo de Ville hat sich hier an ein ziemlich großes Projekt gewagt. Der Markt der Premium Long Johns ist nicht besonders groß und es tummeln sich dort schon einige Mitbewerber. Die Farbauswahl, Konfigurationsmöglichkeiten und etwas zugänglicherer Preis sind Pluspunkte bei dem Rad und ich habe auch noch keine so stabil gestaltete Box gesehen. Allerdings geht dies auch zulasten (!) des Gewichts. Wenn Velo de Ville das Rad noch auf Diät setzen kann, haben sie hier einen echten Gewinner!

*Velo de Ville hat mir das Rad zur Verfügung gestellt und das Video unterstützt. Auf unsere Meinungsäußerung, die Gestaltung der Videos und die Erstellung dieser Bewertung hat dies keinen Einfluss. Wir sind herstellerneutral.

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